Freitag, 11. Juni 2010

Radiointerview bei Radio Q

http://dl.dropbox.com/u/7370155/Beitrag%20Spuren%20-%20GhanaVM.mp3

Mittwoch, 30. September 2009

Montag, 21. September 2009

"Die Herrschaft der Waren setzt deren Verkauf voraus. Und dein Job besteht darin, die Konsumenten von dem Produkt zu überzeugen, das sich am schnellsten abnutzt. Die Industriellen nennen das: "programmierte Veralterung". Du wirst ersucht, die Augen davor zu schließen und deine inneren Zustände für dich zu behalten. Wie Maurice Papon kannst du dich immer damit herausreden, dass du von nichts gewusst hast, dass du gar nicht anders hättest handeln können, dass du dich ja bemüht hast, den Prozess aufzuhalten, aber schließlich nicht dazu verpflichtet warst, den Helden zu spielen ... Bleibt, dass du nichts dagegen unternommen hast, zehn Jahre lang, Tag dür Tag für Tag. Ohne dein Zutun hätten sich die Dinge womöglich anders entwickelt. Man h¨stte sich durchaus eine Welt ohne allgegenwärtige Plakate vorstellen können, Dörfer ohne allesverschandelnde Schilder, Straßenecken ohne Fastfood und Menschen auf den Straßen. Menschen, die miteinander sprechen. Das Leben hätte nicht unbedingt so aussehen müssen. Du hast all dieses künstlich erzeugte Unglück nicht gewollt. Du hast die Blechlawine nicht losgetreten (2,5 Milliarden Autos weltweit im Jahr 2050). Aber du hast auch nichts getan, um die Welt anders einzurichten. Eines der Zehn Gebote der Bibel lautet: "Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen ... Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!" In flagranti bei einer Todsünde erwischt, du und die ganze Welt. Die Strafe Gottes für dieses Vergehen ist bekannt: Es ist die Hölle, in der du lebst."

"Ah, dazu fällt mir die Geschichte mit Barilla wieder ein ...
Erinnerst du dich, Octave, als du eine Baseline vorgeschlagen hast, in der das Wort Glück vorkam?" "... und die Rechtsabteilung uns erklärt hat, dass das nicht geht, meinst du?" "Ja, genau! Weil "Glück" eine von Nestlé geschützte Marke ist!! DAS GLÜCK GEHÖRT NESTLÉ." "Moment, mich wundert das nicht, du weißt, dass Pepsi das Blau schützen lassen möchte?" "Hä?" "Ja, doch, ganz im Ernst, sie wollen die Farbe Blau kaufen, sie wollen deren Eigentümer werden, und das ist noch nicht alles: Sie finanzieren CD-ROMs mit Unterrichtsprogrammen, die in den Grundschulen gratis verteilt werden. So lernen die Kinder ihre Lektionen auf Pepsi-Computern und gewöhnen sich daran, das Wort "Durst" neben der Fabre "Pepsi" zu lesen." "Und wenn sie den pepsi Himmel betrachten, strahlen ihre pepsi Augen, und wenn sie vom Rad gefallen sind, haben sie pepsi Flecken am Schienbein..."

"Afrika hat sich verändert seit Hemingways Safaris. Die westliche Welt hat den Kontinent abgeschrieben (zwei Millionen Menschen sind 1998 an AIDS gestorben, vor allem weil Pharmaunternehmen wie die amerikanische Firma Bristol-Myers-Squibb, die die Medikamente für die Dreikomponententherapie herstellen, sich weigern, die Preise zu senken). Hier ist der ideale Ort, um das kapitalistische Personal neu zu motivieren: Auf dieser vom Virus und von der Korruption zerfressenen, von absurden Kriegen und ständigem Völkermord zerrissenen Erde fassen die kleinen ANgestellten wieder Vertrauen zu dem System, von dem sie leben. Sie erwerben typische Ebenholzmasken, basteln sich schöne Erinnerungen, glauben an einen gelegentlichen Meinungsaustausch mit den Eingeborenen und schicken sonnige Ansichtskarten nach Hause, um die im Pariser Winter erfrierende Familie neidisch zu machen. Afrika wird den Werbern vorgeführt als ein Gegenbeispiel, das sie schnell wieder nach Hause treibt, nachdem sie erleichtert festgestellt haben, dass es anderswo noch schlimmer ist. So wird auch der Rest des Jahres erträglich: Afrika dient als Anti-Appetithemmer. Weil die Armen sterben, haben die Reichen das Recht, zu leben.

Man teilt mit einem Jet-Ski die Wellen, man schießt Polaroids, niemand interessiert sich für niemand, alle tragen Badehosen. Wenn heute in Afrika ein Weißer das Wort an einen Schwarzen richtet, tut er das nicht mehr mit der rassistischen Herablassung des ehemaligen Kolonialherrn; viel brutaler: Er tut es mit dem mitleidigen Blick eines Priesters, der einem zum Tode Verurteilten die letzte Ölung verabreicht."

Frédéric Beigbeder, Neununddreißigneunzig